Am 1. Juni feiert die Milchindustrie den Weltmilchtag. Da geht es um Produktion, Leistung und Preise.
Die Situation der Tiere wird ungern thematisiert, und wenn dann nur positiv: Mit Begriffen wie Tierwohl oder Tiergesundheit und Bildern von Kühen auf der Wiese wird versucht dem Konsumenten eine heile Welt vorzugaukeln. Dabei ginge es auch ganz anders, nämlich viel tierfreundlicher oder sogar ganz ohne Tierleid. Die Tierschutzorganisation Pfotenhilfe gibt anlässlich des Weltmilchtages einen Einblick in die routinemäßigen Abläufe aus Sicht der Tiere. Auf ihrem Tierschutzhof beherbergt sie unter anderem eine ausgediente Kuh aus der Milchproduktion, die gerade noch vor der Verladung auf den Schlachthof-LKW gerettet werden konnte und dabei hochschwanger war. Sie darf ihren Lebensabend gemeinsam mit ihren in der Pfotenhilfe geborenen Zwillingssöhnen auf den großen Weiden des am Rande des Salzburger Seengebiets gelegenen Tierschutzhofs, der über 600 Tiere aus 25 Arten beherbergt, verbringen.
"Was banal klingt, aber den wenigsten Konsumenten bewusst ist: eine Kuh funktioniert nicht anders als ein Mensch, sogar die Dauer der Schwangerschaft ist fast gleich. Und genauso hat sie auch nur dann Muttermilch, wenn sie ein Kind zur Welt bringt", erklärt Pfotenhilfe-Geschäftsführerin Johanna Stadler. "Diese Muttermilch ist natürlich genauso wie bei uns Menschen für ihr Baby vorgesehen, das die Milch notwendig braucht, um gesund heranwachsen zu können. Der Mensch nimmt sie ihm aber weg, und aus wirtschaftlichen Gründen wurden und werden Kühe so überzüchtet, dass sie ein vielfaches der natürlichen Milchmenge produzieren müssen und dadurch oft Schmerzen und gesundheitliche Probleme haben." Allein in den letzten 20 Jahren wurde hierzulande noch einmal um deutlich über 30% Prozent mehr Milch aus jeder Kuh geholt. 2019 lag sogar der Durchschnitt schon bei ganzen 7.792 kg/Jahr (Quelle: http://www.lkv-service.at/page.asp/-/milch-leistungsabschluss. 2019 um 32,67% mehr Milchleistung im Vergleich zu 2001). Und weil der Milchfluss nach einigen Monaten geringer wird, wird die Kuh gleich wieder künstlich befruchtet und muss dadurch jedes Jahr ein Kind gebären. "Die Milch stammt also von praktisch permanent schwangeren Kühen - inklusive Schwangerschaftshormonen", so Stadler.
Kälber in Einzelhaltung ohne Muttermilch
Kurz nach der Geburt werden die Kälber von ihren Müttern getrennt und kommen in eine kleine Einzelbox. "Dies geschieht meist so, dass die beiden sich zwar nicht sehen, aber hören können, wodurch sie oft tagelang verzweifelt nacheinander schreien", so Stadler weiter. "In dieser Isolation bekommen sie zweimal täglich einen künstlichen Milchersatz. Nach zwei bis drei Wochen werden die männlichen Kinder verkauft, weil sie ja nie Milch erzeugen werden und dadurch unbrauchbar sind. Aber auch die weiblichen können nicht alle für die Milchproduktion behalten werden. In diesem zarten Alter werden die Säuglinge oft in Länder wie Spanien transportiert, wo sie dann gemästet und mit einem halben Jahr zum Beispiel auf ein Schiff in den Libanon verladen werden, wie zuletzt heuer im Frühjahr anhand eines Kalbs aus dem Bezirk Braunau aufgedeckt werden konnte.
Zwei Lösungsmöglichkeiten skizziert die Pfotenhilfe für diese schwerwiegenden Tierschutzprobleme:
Einerseits ist es überhaupt kein Problem Kälber bei ihren Müttern aufwachsen zu lassen und nur so viel Milch abzumelken, dass die Kälber auch noch genug bei ihrer eigenen Mutter oder einer Amme trinken können. Dieses System ist erprobt und manche Landwirte beginnen hier auch umzudenken. (Siehe Artikel der Landwirtschaftskammer unter https://www.lko.at/die-k%C3%A4lber-wieder-bei-den-m%C3%BCttern-lassen+2500+3115244 .) Zusätzlich muss natürlich auch der Gesetzgeber sowohl mit Förderungen als auch etwa mit Lebendexport- und anderen Verboten regulierend eingreifen und der Handel seine auf "billigst" ausgerichtete Strategie ändern.
Andererseits gibt es immer mehr Menschen, die das System der Tiernutzung und Schlachtung gar nicht mehr unterstützen wollen und auf rein pflanzliche Milchprodukte umsteigen. Und je größer das Angebot von pflanzlicher Milch, Käse, Joghurt etc. im Handel wird, umso leichter gelingt dieser Umstieg, der geschmacklich oft nicht einmal bemerkt wird. Und da natürlich auch Pflanzen von der Landwirtschaft produziert werden und es für die Molkereien vollkommen egal ist, welchen Rohstoff sie verarbeiten, ist diese Variante für alle vorteilhaft, was zunehmend von den Produzenten erkannt wird. Nicht zu letzt auch für's Klima, die Umwelt und die Gesundheit.
Veröffentlicht am 29.05.2020