Freibriefe für Hundekettenhaltung, Diensthundebrutalität, Katzenleid, etc. geplant / Schon 250 kritische Stellungnahmen auf Parlamentswebsite!
Breiter Protest richtet sich derzeit gegen des Tierschutzministerium, das vorbildliche Bundestierschutzgesetz aus 2005 in mehreren Punkten massiv zu verschlechtern. Privatpersonen und Organisationen bis hin zu Universitäten und Gerichten kritisieren weitreichende Ausnahmen, die bisher strafbare Tierquälerei legalisieren würden.
Bis 3. Februar 2017 besteht noch die Möglichkeit Stellungnahmen zu diesem verantwortungslosen Gesetzesentwurf abzugeben, weshalb die Tierschutzorganisation PFOTENHILFE derzeit über soziale Medien dazu aufruft, sich zu beteiligen. Und zum Zeitpunkt dieser Aussendung waren schon 250 Stellungnahmen auf der Parlamentswebsite online: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/ME/ME_00280/index.shtml
Konkret geht es um weit mehr als die bereits thematisierte geplante Rücknahme der Kastrationspflicht für Freigängerkatzen (http://www.pfotenhilfe.org/blog/was-gibt-es-neues-1/post/pfotenhilfe-und-vier-pfoten-warnen-192).
Seit 2005 ist die - auch kurzfristige - Kettenhaltung von Hunden verboten. Die geplanten Ausnahmen würden dieses Verbot weitestgehend außer Kraft setzen:
Das Anbinden von Hunden bei „Freizeitaktivitäten“, bei Ausbildungsmaßnahmen und von Dienst- oder Begleithunden soll sogar ohne zeitliche Einschränkungen erlaubt werden. Man könnte also den ganzen Tag Schifahren und währenddessen den Hund vor dem Haus anketten. Und wir dachten, Österreich hätte das Tierschutzverständnis der süd- und osteuropäischen Länder längst überwunden, aber jetzt sollen wir deren grausame Praktiken übernehmen?
Bei der Ausbildung und Handhabung von Diensthunden soll Brutalität und Tierquälerei ohne Konsequenzen bleiben. So würden Stachelhalsbänder, die sich auf Zug zentimetertief schmerzhaft in den Hals bohren erlaubt und weitere Ausnahmen für brutale Tierquälerei dazukommen.
Ursprünglich längstens bis Ende 2017 geltende Ausnahmen vom Qualzuchtverbot werden einfach ohne Frist verlängert. Vom Mops über Minischwein und Perserkatze bis hin zum Masthuhn, das in fünf Wochen sein Schlachtgewicht erreichen muss und dessen Knochen brechen, weil sie das eigene Körpergewicht nicht mehr tragen können – alles plötzlich kein Problem mehr!?
Der Verkauf von Hunden und Katzen in Zoohandlungen wurde 2005 verboten und 2008 wieder aufgehoben, weil man damit die illegalen Importe eindämmen wollte. Als Tierschützer aufdeckten, dass die Welpen aus den gleichen grauenhaften Auslandszuchten kommen, wie bei den illegalen Straßenverkäufen, sah man ein, dass dies ein Fehler war und wollte das Verbot wieder in Kraft setzen. Davon ist jedoch im Entwurf keine Spur mehr.
Die geplante de facto Aufhebung der Katzenkastrationspflicht
Als die Ausnahme von der Kastrationspflicht für „Katzen in bäuerlicher Haltung“ gestrichen wurde, begründete das Ministerium dies so:
"Seit 1. April sind bei Katzen mit regelmäßigem Zugang ins Freie nur noch Zuchtkatzen von der Kastrationspflicht ausgenommen. Zahlreiche Katzenjunge landen in einem Tierheim oder werden schlimmstenfalls sogar getötet, weil sich freilaufende Katzen unkontrolliert paaren und die Besitzerinnen und Besitzer dann nicht wissen, was sie mit den Jungtieren machen sollen. Mit der Kastrationspflicht für alle freilaufenden Katzen werden solche Fälle künftig verhindert." http://www.bmgf.gv.at/home/Gesundheit/Tiergesundheit/Tierschutz/Neuerungen_im_Tierschutz_mit_1_April_2016
Und an anderer Stelle noch konkreter:
„Mit dieser Bestimmung soll das Tierleid der streunenden Katzen vermindert werden, die vermehrt schweren Infektionskrankheiten, Verletzungen durch Kämpfe um weibliche Tiere, Schwächung durch regelmäßige aufeinander folgende Geburten, hoher Welpensterblichkeit, schlechter Versorgung, Verwurmung und Hautparasiten ausgesetzt sind.“
http://www.bmgf.gv.at/cms/home/attachments/8/3/0/CH1118/CMS1459506475555/katzen_hunde_zucht.pdf
Da man sich also im Ministerium der Problematik seit langem ganz genau und detailliert bewusst ist, wirkt es besonders absurd und skrupellos, dass die Kastrationspflicht jetzt gänzlich abgeschafft werden soll. Das Gesetz widerspräche dann der Kastrations-Verordnung und würde deren Rechtskraft faktisch aufheben. Man fragt sich also zu Recht, welcher politischen Deal hier auf dem Rücken der Tiere eingegangen wurde, um ein so windiges Gesetzeskonstrukt zu schaffen, das sich selbst ad absurdum führt und eine mehr als sinnvolle Gesetzgebung damit wieder außer Kraft setzt.
Streunerkastrationsprojekte stellen einen großen Kostenfaktor für die PFOTENHILFE und andere Organisationen dar, die – oft mit finanzieller Unterstützung der Länder – verwilderte Katzen fangen, kastrieren, chippen und registrieren, impfen, entwurmen und wieder in ihrem angestammten Revier freilassen. Die Gesetzesänderung würde diese Bemühungen mit einem Schlag zerstören und somit nicht nur Tierleid fördern sondern auch Steuergelder verschwenden, wenn auf der einen Seite kastriert und auf der anderen Seite der Weg zur unkontrollierten Vermehrung politisch geebnet wird. In diesem Falle wäre die PFOTENHILFE jedenfalls nicht mehr bereit, weiterhin diese Kosten und Mühen auf sich zu nehmen und müsste daher ihr Kastrationsprojekt sowie die Versorgung und Aufzucht der oft verwaisten Fundtierbabys einstellen. Was die für den Vollzug verantwortlichen Länder mit so einer widersprüchlichen Gesetzgebung machen würden, ist völlig unklar. Schon seit 1. April 2017 lässt die Kastrationsverordnung bereits so viel Interpretationsspielraum zu, dass die Vollzugspraxis der Amtstierärzte von Ratlosigkeit geprägt ist. Deren Hoffnung, dass möglichst bald eine Konkretisierung folgt, wird hiermit jedenfalls zunichte gemacht.
Veröffentlicht am: 26.01.2017