Wegen Tierquälerei an zumindest 63 Schweinen über einen Zeitraum von zumindest einem Jahr stand am Donnerstag ein Landwirte-Ehepaar aus Roitham, Bezirk Gmunden (OÖ) und deren Vertragstierärztin vor dem Landesgericht Wels. Die Frau wurde rechtskräftig zu vier Monaten bedingter Freiheitsstrafe sowie einer Geldstrafe von Euro 960,- verurteilt, die beiden anderen wurden freigesprochen.
Wie bereits bekannt mussten nach einer anonymen Anzeige am 8. April 2019 alle Schweine im Auftrag des Amtstierarztes schnellstmöglich erlöst werden, da weit mehr als 37 bereits länger verhungert bzw. verdurstet waren (anhand Schädel- und zahlreichen weiteren Knochenfunden festgestellt) und die noch lebenden in einem extrem schlechten Zustand waren und an den toten Schweinen ihren Hunger zu stillen versuchten. Die Tränkevorrichtungen seien schon länger nicht mehr funktionsfähig gewesen.
Ein Helfer bei der Nottötung sprach von katastrophalen Zuständen und sagte aus, dass er so etwas noch nie gesehen habe. Der Amtstierarzt sprach von einem „Gruselkabinett“. Die Schweine hätten einander nicht nur kannibalisiert sondern in ihrer Not auch die aufgestaute Gülle getrunken. Man habe mindestens 15 bis 20 Scheibtruhen Knochen aus dem Stall gebracht. Er sei oft am Betrieb vorbeigefahren, aber es sei von außen nichts auffällig gewesen. Nachdem er allein für den ganzen Bezirk Gmunden zuständig sei, kann er nur aufgrund von Anzeigen einschreiten. Es sei ein Systemproblem, dass der Vertragstierarzt selbst seine Betriebe jährlich kontrollieren soll und im Fall von Verfehlungen „seine eigenen Kunden verpfeifen müsste.“
Bäurin Andrea W. bekannte sich unumwunden schuldig, bestand jedoch bis zum Schluss auf der Aussage, dass ihr Mann seit über einem Jahr den Stall nicht betreten hätte und unschuldig sei. Sie sei überfordert gewesen und hätte auch niemanden um Hilfe gebeten, weil sie sich so über die Zustände im Stall geschämt hätte. Als im April alles aufgeflogen ist, sei sie „erleichtert gewesen, dass der Albtraum vorbei ist.“ Neben ihrem Gatten, dem eigentlichen Landwirt, wohnen aber auch noch die drei erwachsenen Kinder am Hof, weiters waren auch Verwandte und Lieferanten regelmäßig vor Ort und auch Nachbarn hätten nichts mitbekommen, obwohl die Schweine laut Akt über einen längeren Zeitraum sogar vor Hunger gebrüllt haben müssten. Die pensionierte Tierärztin H. widersprach der Aussage der Erstangeklagten, dass sie schon Jahre nicht mehr am Hof gewesen sei und nur aus der Ferne die nötigen Formulare für die Behörden ausgefüllt hätte. Zuletzt hätte es bei einer Kontrolle im Dezember 2018 nur kleine Mängel gegeben. Aufgrund der Tierleiddimension und der widersprüchlichen und wenig glaubwürdigen Aussagen der Angeklagten, fiel es dem Richter zunehmend schwer die Geduld und die Fassung zu bewahren. Er wies auch darauf hin, dass der Staatsanwaltschaft eine Ausweitung der Anklage wegen schweren Betrugs gegen Frau W. und die Tierärztin vorbehalten bleibe, was diese auch wahrnehmen wird.
Pfotenhilfe-Geschäftsführerin Johanna Stadler ist erschüttert: „Das gesamte Umfeld muss über einen langen Zeitraum weggeschaut und -gehört haben. Wenn es um Tiere geht, hat unsere Gesellschaft viel Aufholbedarf. Aber auch die Politik muss sich wieder einmal die Frage gefallen lassen, warum behördliche Kontrollen in der Landwirtschaft nur alle 50 Jahre stattfinden (2% der Betriebe pro Jahr laut Kontrollverordnung) und solche Fälle - wenn überhaupt – fast immer nur durch meist anonyme Anzeigen auffliegen – ich muss aufgrund jahrzehntelanger Erfahrung von einer riesigen Dunkelziffer mehr oder weniger ähnlicher Skandalfälle ausgehen! “
Schweine sind sehr intelligente und feinfühlige Lebewesen, sie sind nicht nur darin Hunden sehr ähnlich. Und auch mit uns Menschen teilen sie Gefühle wie Freude, Angst, Leid und Schmerzen. „Jedem Menschen mit Herz und Hausverstand muss klar sein, dass man bei Tierleid nicht wegschauen darf“, ist Stadler empört. „Der Schritt vom Bewusstsein zum Handeln wird aber leider häufig aus Angst vor Konflikten nicht gesetzt.“ Die Tierschutzorganisation Pfotenhilfe nimmt deshalb häufig Meldungen über Tierquälerei entgegen und leitet diese - auf Wunsch anonymisiert - an die Behörden weiter. Augen- und Ohrenzeugen werden dringendst aufgefordert bei Tierleid nicht wegzuschauen, da man sich dadurch mitschuldig macht und sich dies auch strafrechtlich auswirken kann.
Auf dem Hof befanden sich nach dem behördlichen Einschreiten und einem Lokalaugenschein der Pfotenhilfe aber auch noch weitere Tiere, wie etwa zumindest ein Hund, Katzen und Geflügel. Die Pfotenhilfe hat der Behörde kurz nach Bekanntwerden des Skandals die Übernahme der Tiere auf ihrem Tierschutzhof in der OÖ/Sbg. Grenzregion angeboten, um weiteres Leid zu verhindern. Darauf wurde jedoch bis heute nicht zurückgegriffen.
Veröffentlicht am 29.08.2019